So viel mal vorweg: Ich bin bekennende Verfechterin des urbanen Lebens in der Großstadt und schätze kulturelle Inspiration, Diversität, und auch die gelegentliche Reizüberflutung. Manchmal ist es von Vorteil, dass ich auch bei Lärm erholsam schlafen kann. Vielleicht empfinde ich die Reizstimulation unterschiedlicher Sinne sogar auch gerade deswegen als besonders anregend, weil mich ein entscheidender Sinn mehr und mehr im Stich lässt. Denn es wird häufig angenommen, dass der Verlust der Sehkraft durch eine Schärfung der verbleibenden Sinne kompensiert wird. Was nicht ist, kann ja noch werden. Im öffentlichen Raum stoße ich jedoch, im wahrsten Sinne des Wortes, immer häufiger an absichtlich gezogene Grenzen.
Neulich, auf der Demo für die Gleichstellung behinderter Menschen, auf der mehr Barrierefreiheit in sämtlichen Lebensbereichen gefordert wurde, sprach mich eine Polizistin an, die von Betroffenen wissen wollte, wie behindertengerecht der Alexanderplatz sei. Wie aus der Pistole geschossen entfuhr es meiner ebenfalls sehbehinderten Begleiterin und mir: “Die Poller entfernen!“ „Und zwar alle!” Auf unsere Frage, warum diese denn ausgerechnet Tarnfarben hätten, nickte die Beamtin nur verständnisvoll, berief sich aber auf stadtplanerische Vorgaben, wonach die für’s Auge unbequemen Pfosten möglichst unauffällig – also für uns unsichtbar – sein müssten.
Wäre es nicht sinnvoll, die Bereitstellung des gemeinschaftlich genutzten, öffentlichen Raumes so zu gestalten, dass sich zunächst schon einmal die schwächeren Personen, wie Kinder, Senioren oder eben auch von Behinderungen betroffene Menschen, sicher und uneingeschränkt bewegen können? Zumindest in Ballungsräumen könnte eine menschenbezogene Verkehrspolitik schwächere Teilnehmende als Ausgangspunkt ansehen und daraufhin jeweils weniger schwache Gruppen daran ausrichten. In einer Autonation mag diese Vorstellung aber wohl eher einer entrückten Utopie gleichkommen.
Denkbar wäre aber doch vielleicht ein demokratischer Minimalkonsens, welcher die gemeinsam genutzte Infrastruktur zumindest gleichberechtigt auf alle Nutzergruppen verteilt. Davon sind wir in den meisten deutschen Großstädten derzeit auch meilenweit entfernt. Zwar reden alle von der Mobilitätswende, aber schon kleinste Eingriffe in die freie Fahrt für den individuellen Autoverkehr stoßen allenthalben auf erbitterten Widerstand. Und weil das Geschrei dieser mächtigen Minderheit so groß ist, hat die überwiegende Mehrheit der Verkehrsteilnehmenden leider bislang das Nachsehen.
Obwohl die Verkehrssicherheit angeblich als höchstes Gut gilt, lösen die vielen Widersprüchlichkeiten eher ein Gefühl von Ratlosigkeit aus, denn die Gewährleistung der Sicherheit nebst den daraus resultierenden Maßnahmen erfolgt offensichtlich an den Bedürfnissen der Allgemeinheit vorbei. Überambitionierte Bezirksverantwortliche haben derweil Gehwege, Parks und öffentliche Plätze zu Hochsicherheitszonen erklärt. Das Ergebnis ist eine diffuse und unverhältnismäßige Anordnung von Zement- oder Metallpfosten, Pollern und Betonklötzen, wie man sie beispielsweise vor der Gemäldegalerie bestaunen kann. Selbst wenn ich die egoistischen Motive meiner Sehbehinderung außen vor lasse, kann ich den tatsächlichen Nutzen dieser passiven Schlägertruppe, die es auf Schienbeine, Knie oder die empfindliche Leistengegend angesehen hat, nicht nachvollziehen. Wer oder was soll hier wovor beschützt werden?
Ich lebe seit über 25 Jahren in Berlin und behaupte, mich sehr wohl zu erinnern, dass auch in der Prä-Poller-Ära all jene Orte keineswegs widerrechtlich vollgeparkt oder gar befahren worden waren.
Sofern es um den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmender ginge, würden mir wirkungsvollere Methoden, wie der Ausbau des ÖPNV, Tempolimits, verkehrsberuhigte Zonen oder verbreiterte Geh- und Radwege, als sinnvollere Maßnahmen einleuchten. Wesentlich sinnvoller, als den nutzbaren Raum durch monumentale Hindernisse zu reduzieren. Da zielführende Vorhaben aber nur äußerst schleppend vorankommen und der Autoverkehr offensichtlich weiterhin boomt, schränkt die großangelegte Vollpfostenmaßnahme nur die Bewegungsfreiheit schwächerer Verkehrsteilnehmer*innen ein. Von Fußgängern, die mit oder ohne Kinderwagen, Rollator, Blindenstock, Hund, Rollstuhl oder Skateboard unterwegs sind, geht scheinbar eine solche Bedrohung aus, dass man diese “Risikogruppe” in ihrem Vorwärtskommen unbedingt behindern muss.
Gibt man bei Google den Begriff “Beton- oder Metallpfosten” ein, erhält man unter den ersten Suchergebnissen jenen Werbeslogan, der mich zu dieser Überschrift inspiriert hat.
Nicht auszudenken, mit was für chaotischen Zuständen wir rechnen müssten, wenn die Barrieren der Barrierefreiheit fallen würden! Gleichgestellte Personengruppen könnten zum erholsamen Flanieren, Joggen, Innehalten, Schieben, Rollen oder Gott bewahre nebeneinanderherlaufenden Händchenhalten ermutigt werden – und das kann – aus Sicherheitsgründen – nun wirklich niemand wollen!
Betonpfosten – Made in Germany
So viel mal vorweg: Ich bin bekennende Verfechterin des urbanen Lebens in der Großstadt und schätze kulturelle Inspiration, Diversität, und auch die gelegentliche Reizüberflutung. Manchmal ist es von Vorteil, dass ich auch bei Lärm erholsam schlafen kann. Vielleicht empfinde ich die Reizstimulation unterschiedlicher Sinne sogar auch gerade deswegen als besonders anregend, weil mich ein entscheidender Sinn mehr und mehr im Stich lässt. Denn es wird häufig angenommen, dass der Verlust der Sehkraft durch eine Schärfung der verbleibenden Sinne kompensiert wird. Was nicht ist, kann ja noch werden. Im öffentlichen Raum stoße ich jedoch, im wahrsten Sinne des Wortes, immer häufiger an absichtlich gezogene Grenzen.
Neulich, auf der Demo für die Gleichstellung behinderter Menschen, auf der mehr Barrierefreiheit in sämtlichen Lebensbereichen gefordert wurde, sprach mich eine Polizistin an, die von Betroffenen wissen wollte, wie behindertengerecht der Alexanderplatz sei. Wie aus der Pistole geschossen entfuhr es meiner ebenfalls sehbehinderten Begleiterin und mir: “Die Poller entfernen!“ „Und zwar alle!” Auf unsere Frage, warum diese denn ausgerechnet Tarnfarben hätten, nickte die Beamtin nur verständnisvoll, berief sich aber auf stadtplanerische Vorgaben, wonach die für’s Auge unbequemen Pfosten möglichst unauffällig – also für uns unsichtbar – sein müssten.
Wäre es nicht sinnvoll, die Bereitstellung des gemeinschaftlich genutzten, öffentlichen Raumes so zu gestalten, dass sich zunächst schon einmal die schwächeren Personen, wie Kinder, Senioren oder eben auch von Behinderungen betroffene Menschen, sicher und uneingeschränkt bewegen können? Zumindest in Ballungsräumen könnte eine menschenbezogene Verkehrspolitik schwächere Teilnehmende als Ausgangspunkt ansehen und daraufhin jeweils weniger schwache Gruppen daran ausrichten. In einer Autonation mag diese Vorstellung aber wohl eher einer entrückten Utopie gleichkommen.
Denkbar wäre aber doch vielleicht ein demokratischer Minimalkonsens, welcher die gemeinsam genutzte Infrastruktur zumindest gleichberechtigt auf alle Nutzergruppen verteilt. Davon sind wir in den meisten deutschen Großstädten derzeit auch meilenweit entfernt. Zwar reden alle von der Mobilitätswende, aber schon kleinste Eingriffe in die freie Fahrt für den individuellen Autoverkehr stoßen allenthalben auf erbitterten Widerstand. Und weil das Geschrei dieser mächtigen Minderheit so groß ist, hat die überwiegende Mehrheit der Verkehrsteilnehmenden leider bislang das Nachsehen.
Obwohl die Verkehrssicherheit angeblich als höchstes Gut gilt, lösen die vielen Widersprüchlichkeiten eher ein Gefühl von Ratlosigkeit aus, denn die Gewährleistung der Sicherheit nebst den daraus resultierenden Maßnahmen erfolgt offensichtlich an den Bedürfnissen der Allgemeinheit vorbei. Überambitionierte Bezirksverantwortliche haben derweil Gehwege, Parks und öffentliche Plätze zu Hochsicherheitszonen erklärt. Das Ergebnis ist eine diffuse und unverhältnismäßige Anordnung von Zement- oder Metallpfosten, Pollern und Betonklötzen, wie man sie beispielsweise vor der Gemäldegalerie bestaunen kann. Selbst wenn ich die egoistischen Motive meiner Sehbehinderung außen vor lasse, kann ich den tatsächlichen Nutzen dieser passiven Schlägertruppe, die es auf Schienbeine, Knie oder die empfindliche Leistengegend angesehen hat, nicht nachvollziehen. Wer oder was soll hier wovor beschützt werden?
Ich lebe seit über 25 Jahren in Berlin und behaupte, mich sehr wohl zu erinnern, dass auch in der Prä-Poller-Ära all jene Orte keineswegs widerrechtlich vollgeparkt oder gar befahren worden waren.
Sofern es um den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmender ginge, würden mir wirkungsvollere Methoden, wie der Ausbau des ÖPNV, Tempolimits, verkehrsberuhigte Zonen oder verbreiterte Geh- und Radwege, als sinnvollere Maßnahmen einleuchten. Wesentlich sinnvoller, als den nutzbaren Raum durch monumentale Hindernisse zu reduzieren. Da zielführende Vorhaben aber nur äußerst schleppend vorankommen und der Autoverkehr offensichtlich weiterhin boomt, schränkt die großangelegte Vollpfostenmaßnahme nur die Bewegungsfreiheit schwächerer Verkehrsteilnehmer*innen ein. Von Fußgängern, die mit oder ohne Kinderwagen, Rollator, Blindenstock, Hund, Rollstuhl oder Skateboard unterwegs sind, geht scheinbar eine solche Bedrohung aus, dass man diese “Risikogruppe” in ihrem Vorwärtskommen unbedingt behindern muss.
Gibt man bei Google den Begriff “Beton- oder Metallpfosten” ein, erhält man unter den ersten Suchergebnissen jenen Werbeslogan, der mich zu dieser Überschrift inspiriert hat.
Nicht auszudenken, mit was für chaotischen Zuständen wir rechnen müssten, wenn die Barrieren der Barrierefreiheit fallen würden! Gleichgestellte Personengruppen könnten zum erholsamen Flanieren, Joggen, Innehalten, Schieben, Rollen oder Gott bewahre nebeneinanderherlaufenden Händchenhalten ermutigt werden – und das kann – aus Sicherheitsgründen – nun wirklich niemand wollen!