BUCHVERÖFFENTLICHUNG
„Mit einem lachenden Auge“
Was macht es mit einem, wenn man mit Anfang dreißig eine unheilbare Augenerkrankung diagnostiziert bekommt, die höchstwahrscheinlich zur Erblindung führen wird?
Die erste Reaktion – ein Schock, dann passierte lange Zeit überhaupt nichts. Mein Leben, meine Wünsche, Ambitionen und Träume haben gerade erst Fahrt aufgenommen. Und nun sollte eine Krankheit alles ausbremsen? Unfähig den Konsequenzen ins Auge zu blicken, bemühte ich mich nach Kräften die Tatsachen zu ignorieren, ja sogar zu leugnen. Da man mir äußerlich zunächst nichts anmerken konnte, lief es eine Zeitlang erstaunlich gut. Doch schon bald entpuppte sich meine Vermeidungsstrategie als ein verzweifelter Versuch, den fortschreitenden Krankheitsverlauf der Netzhautdystrophie aufzuhalten.
Es wird langsam dunkel. Triviale Alltagsroutinen, gewohnte Freiheiten, mein Beruf, Konzertbesuche oder einfach Dinge wie Fahrradfahren werden plötzlich kostbar und verändern sich für immer. Von der neuen Alltagsrealität einer Sehbehinderten eingeholt, setzte eine emotionale Achterbahnfahrt ein: Begleitet von Zuständen lähmender Verzweiflung, kräftezehrender Wut, falscher Hoffnung und Existenzängsten war ich auf der Suche nach einem Umgang mit dem Unausweichlichen.
Diese Suche beförderte viele unbeantwortet Fragen zutage, weshalb ich begann den eigenen falschen Denkmustern nachzuspüren. Die Einordnung in die fünf Phasen der Trauerbewältigung half, das Erlebte in tragikomischer, (selbst)kritischer und überaus konstruktiver Weise zu reflektieren. Ging ich anfänglich noch davon aus, dass meine persönlichen Erfahrungen eher ein Fall anekdotischer Evidenz seien, wurde schnell offensichtlich, dass es sich um typische strukturelle Probleme im gesellschaftlichen Umgang mit durch Behinderung eingeschränkte Personen handelt. Ein Aha-Moment und der erste Schritt in mein neues Leben. Fragen nach der eigenen Identität, nach Zugehörigkeit und der eigenen Zukunft schlossen sich an. Mein durch die uneingeschränkte Akzeptanz erlangtes Vertrauen in die eigene Stärke ermutigte mich, das Persönliche als Politisches anzusehen. Um für eine sichtbare Gleichberechtigung in allen Gesellschaftsbereichen zu sensibilisieren, braucht es mitunter schonungslose Offenheit und manchmal eben auch Humor.
Zitat: “Indem wir mit anderen darüber lachen, nehmen wir dem Schicksal den Wind aus den Segeln, strecken ihm die Zunge raus und schaffen neue Perspektiven.”